September 6, 2023

Anchoring – ver“ankerte“ Erinnerungen

Anchoring – warum unser Geist und unsere Emotionen sprunghaft binnen Sekunden in alle Richtungen gerissen werden. Im einen Moment glücklich, im nächsten Moment am Grübeln. Im nächsten Moment traurig. Wie als ob der Geist ein Ball in einem Pinball Flipper-Spiel ist und dort immer wieder rasant in andere Richtungen geschossen wird.

Einleitung

Die Anker-Technik ist ein Begriff dem ich im Zuge meiner NLP-Ausbildung erstmals begegnet bin.
Sie findet auch in anderen Bereichen wie der Psychologie Anwendung. Ankern bedeutet, eine spezifische Reaktion mit einem spezifischen Auslöser zu verknüpfen. Die Idee ist, dass ein bestimmtes Gefühl, eine Erinnerung oder ein Verhalten „verankert“ werden kann, sodass es in der Zukunft durch einen spezifischen Reiz ausgelöst werden kann.

Faszinierend finde ich das Thema insbesondere durch die Achtsamkeitsmeditation. Wenn man merkt, welche Impulse den Geist in welche Richtungen lenken und ihn denken lassen.

Genau genommen ist eigentlich jede Erinnerung auf die ein oder andere Art und Weise mit irgendwas verknüpft / verankert. Und das die meisten davon sich „verankern“ ohne dass wir uns dessen bewusst sind.

Ja, man kann auch bewusst Anker setzen und verändern – doch die meisten Erinnerungen mit stärkeren Emotionen verankern sich unbewusst. Je stärker die Emotion (Freude oder Schmerz) zu einem Ereignis, desto schneller setzt sich der Anker von selbst. Er verknüpft sich mit vielen Elementen, die in der entsprechenden Situation gegeben sind. Das kann ein Lied sein, das in dem Moment spielt, ein Geruch oder Geschmack. Oder etwas das wir sehen oder eine Berührung an einer ganz bestimmten Stelle am Körper.

Starke Anker können einen massiven emotionalen Umschwung verursachen.

Vor ein paar Tagen spielte ein Freund auf seiner Gitarre „The house of the rising sun“. Und plötzlich befand ich mich mitten auf der Beerdigung meiner Mutter wieder. Zurück in den Emotionen, die ich in diesem Moment verspürt habe. Zurück im Schmerz und Verlust. Selbst auf körperlicher Ebene fühlte ich mich innerlich wieder als sei ich gerade dort. Mein Freund wusste nicht, dass dieses Lied dort gespielt worden war. Das Lied wurde dort als eines von drei Liedern gespielt. Die starke emotionale Situation hat sich von selbst mit dem Lied verankert.

Was können alles Anker sein?

Anker können vielfältig sein und reichen von

  • visuellen Reizen (was wir sehen – z.B. Farben, Objekte, eine bestimmte Geste, eine bestimmte Körperhaltung)
  • auditiven Reizen (was wir hören, z.B. Geräusche, Musik, Worte, eine bestimmte Tonlage, ein bestimmter Tonfall)
  • kinästhetischen Reizen (z.B. Berührung, Temperatur, Textur einer Oberfläche die wir anfassen)
  • bis hin zu olfaktorischen und gustatorischen Reizen (z.B. Gerüche, Geschmack, ein bestimmtes Essen)
  • Gedanken, Gefühle und Empfindungen

Im Grunde kann alles, was die Sinne anspricht, als Anker dienen.

Anker können auch durch verschiedene parallele Reize auftreten, die ihre Wirkung erst in Kombination entfalten.

Wie wirken Anker in unserem Verstand?

Anker wirken durch Assoziation und Konditionierung. Sie schaffen eine Verbindung zwischen einem oder mehreren kombinierten externen Reizen (z.B. ein Geruch, ein Geräusch, eine Geste) und einem internen Zustand (z.B. ein Gefühl, eine Emotion). Sobald diese Verbindung hergestellt ist, kann der externe Reiz den internen Zustand automatisch auslösen.

Körperliche Reaktionen durch Anker

Anker können eine Vielzahl von körperlichen Reaktionen hervorrufen, abhängig vom verknüpften emotionalen oder mentalen Zustand. Zum Beispiel kann ein Anker, der mit Entspannung verknüpft ist, die Herzfrequenz senken oder die Muskelspannung reduzieren. Andererseits kann ein Anker, der mit Stress oder Angst verknüpft ist, das Gegenteil bewirken: erhöhte Herzfrequenz, Schwitzen oder Zittern.

Neurochemische Prozesse

Auf neurochemischer Ebene können Anker die Freisetzung bestimmter Neurotransmitter wie Dopamin, Serotonin oder Adrenalin beeinflussen. Diese Neurotransmitter spielen eine wichtige Rolle bei der Regulierung von Emotionen und physiologischen Zuständen.

Hormonelle Veränderungen

Einige Anker können sogar hormonelle Reaktionen auslösen. Beispielsweise könnte ein Anker, der mit einer stressigen Situation verknüpft ist, die Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol steigern.

Cortisol ist ein Stresshormon, das deinen Körper in eine „Kampf-oder-Flucht“-Stimmung versetzt. Es macht dich wach und reaktionsbereit, kann aber bei dauerhaft hohen Werten zu Gesundheitsproblemen wie Schlafstörungen, Gewichtszunahme und erhöhtem Blutdruck führen.

Immunsystem und Gesundheit

Anker können das Immunsystem beeinflussen, dadurch dass neuochemische Prozesse oder hormonelle Veränderungen angestoßen werden. Positive Anker, die mit Wohlgefühl und Entspannung assoziiert sind, tragen zur Senkung des Cortisol-Spiegels bei, sodass das Immunsystem wieder normal arbeiten kann. Die neurochemischen Prozesse können bei positiven Ankern zusätzlich die Immunantwort stärken.

Negative Anker können hingegen das Gegenteil bewirken. Denn wenn der Cortisol-Spiegel für den Kampf-Oder-Flucht“ Modus steigt, reduziert der Körper die Verdauung, drosselt das Immunsystem und ebenfalls andere nicht „Überlebenskritische“ Systeme wie die Fortpflanzungssysteme um alle Energie zu mobilisieren um möglichst schnell vor der Bedrohung fliehen oder diese bekämpfen zu können.

Automatische Reflexe

In einigen Fällen können Anker sogar automatische Reflexe auslösen, wie das Speicheln bei dem Gedanken an Essen oder das Zusammenzucken bei einem plötzlichen, lauten Geräusch.

Alles in allem haben Anker die Fähigkeit, eine breite Palette von körperlichen Reaktionen auszulösen, die von subtilen Veränderungen in der Körpersprache bis hin zu signifikanten physiologischen und neurochemischen Veränderungen reichen. Sie sind ein Beweis für die komplexe Wechselwirkung zwischen Geist und Körper.

Ähnlichkeiten zwischen Anker und Pawlowschem Reflex

Beide Konzepte – das Ankern im NLP und der Pawlowsche Reflex in der klassischen Konditionierung – basieren auf der Idee der Assoziation. Bei beiden wird ein oder mehrere für sich genommen neutrale Reize (z.B. ein Geräusch, eine Geste) mit einer unbedingten Reaktion (z.B. Speichelfluss, emotionales Gefühl) verknüpft, so dass der ursprünglich neutrale Reiz schließlich die Reaktion allein auslösen kann.

In meinen Augen verlaufen die Grenzen zwischen beiden Begriffen fließend.

Beide kann man bewusst setzen und beide können unbewusst gesetzt werden.

Der Pawlowsche Reflex zeigt uns, dass unser Gehirn ganz von allein ‚Anker‘ setzen kann. Das passiert, wenn bestimmte Signale oder Reize immer wieder zusammen mit einer bestimmten Erfahrung auftreten. Diese Signale können sogar zeitlich weit vor dem eigentlichen ‚großen Ereignis‘ passieren und trotzdem unser Gefühl oder unsere Reaktion darauf beeinflussen.

Die Werbung nutzt diesen Effekt ebenfalls sehr intensiv. Dazu später mehr in den Beispielen.

Beispiel: Der Hund, die Glocke und das Futter

In dem klassischen Experiment von Iwan Pawlow wurde ein Hund darauf trainiert, das Läuten einer Glocke mit dem Erhalt von Futter zu assoziieren. Anfangs hatte die Glocke für den Hund keine besondere Bedeutung. Sobald jedoch die Glocke mehrmals immer unmittelbar vor der Fütterung erklang, begann der Hund bald eine konditionierte Reaktion zu zeigen.

Mit jeder Wiederholung des Glockenläutens gefolgt von der Fütterung stärkte sich die Verknüpfung im Gehirn des Hundes. Ich stelle mir vor, dass der unbewusste und unterbewusste Prozess fast so in der Art ablaufen kann: „Ich habe Futter bekommen… und ich habe vorher eine Glocke gehört – hängt das zusammen?“. Nach einer gewissen Anzahl von Wiederholungen wurde die Glocke allein ausreichend, um beim Hund eine Reaktion auszulösen. „Oh, ich höre die Glocke. Ich habe die Glocke immer nur gehört wenn es Futter gab“. Der Klang der Glocke löste Speichelfluss und Vorfreude auf das Futter aus.

Im Endeffekt hatte der ursprünglich neutrale Reiz der Glocke durch wiederholte Assoziation mit dem Futter die Fähigkeit erlangt, beim Hund eine starke emotionale und physiologische Reaktion auszulösen. Die Glocke wurde zum Auslöser für die Vorfreude auf das Futter und konnte eine ähnliche Reaktion wie das Futter selbst hervorrufen.

Dieses Beispiel illustriert die grundlegende Mechanik der Assoziation und Konditionierung, die sowohl in der Theorie des Pawlowschen Reflexes als auch im Konzept des Ankerns zu finden ist. Es zeigt, wie ein anfangs neutraler Reiz durch wiederholte Verknüpfung mit einem positiven (oder negativen) Ereignis die Kraft erhält, selbstständig eine Reaktion auszulösen.

Wie werden Anker ausgelöst?

Anker werden durch Wiederholung und Assoziation ausgelöst. Beispielsweise kann ein Lied, das du während eines glücklichen Moments in deinem Leben gehört hast, später dieses Gefühl von Glück hervorrufen. Oder ein bestimmter Duft, ein bestimmtes Parfüm oder ein bestimmter Geruch kann Erinnerungen an eine bestimmte Person oder einen bestimmten Ort wachrufen.

Beispiele für Anker und wie sie wirken

Zeitversetzte Anker

Wenn ich in Amerika ankomme und nach der Grenzkontrolle endlich durch die automatischen Türen des Flughafens nach draußen in die warme, feuchte Luft mit ihrem ganz eigenen Geruch trete, dann triggert die Kombination vieler Reize einen sehr intensiven Anker. Die Reise ist zu Ende. Ich bin „angekommen“.
Mein gesamtes System (mein gesamter Körper) beruhigt sich schlagartig – es ist als ob jeder Stress von meinen Schultern fällt. Ich fühle mich wie „zu Hause“. Ich schließe die Augen, entspanne mich – mitten in der automatischen Tür – okay, schuldig 😅
Es ist die Vielzahl der wundervollen und positiven Erinnerungen die ich in meinem Leben während meiner Zeit in Amerika gesammelt habe. Viele Jahre war ich jedes Jahr mit meinen Großeltern bei meiner Tante in Florida zu Besuch. Spielte viel draußen, begegnete vielen wundervollen und herzlichen Menschen. Habe nie eine einzige negative Erfahrung in den USA gemacht. Seit ich sechs Jahre alt war zog ich alleine los und war teilweise über Stunden alleine on Tour. Mit 14 flog ich alleine von Miami nach Philadelphia um meinen Cousin und seinen Sohn zu besuchen.
Oder die Tour durch Amerika nach Kanada, und das „Abenteuer“ den „Great Blackout of America“ mitzuerleben und mittendrin zu sein – im Hotel Kerzen gereicht zu bekommen, damit wir wenigstens etwas Licht im Zimmer hatten …

Ähnlich wie beim pawlowschen Reflex beschrieben wurde der Moment, wo ich durch die Türen des Flughafens trete und der Reisestress zu Ende ist im Laufe der Jahre zu der Vorfreude auf das, was kommt. Auf eine wundervolle Zeit. Dem Gefühl der Freiheit und der Abenteuer.
Die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit, wie sich die Luft mit dem ganz spezifischen Geruch atmen lässt, wie sie sich auf der Haut anfühlt.

Dieses Beispiel veranschaulicht sehr gut, dass selbst zeitlich weiter voneinander entfernt liegende Reize noch zu Ankern werden können.

Kontextbedingte Anker

Manche Anker wirken auch nur in bestimmten Momenten. So interessiert uns das Logo der bekannten Burger-Kette oder des bekannten Hähnchen- oder Sandwich-Ladens recht wenig, solange wir satt sind. Spannend ist jedoch, dass alleine schon das sehen des Logos dafür sorgen kann, dass wir auf einmal merken, dass wir hungrig sind. Und je nachdem wie hungrig wir uns fühlen, bestimmen dann die mit dem jeweiligen Logo verankerten Erinnerungen und Empfindungen, welches dieser Restaurants wir ggf. aufsuchen.

Anker können alte, lange nicht gedachte Erinnerungen, wieder an die Oberfläche spülen

Vor kurzem fuhr ich durch eine Stadt in der ich nur sehr selten war. An einer Ampel stand ich auf einmal neben einem Ladenlokal. Über diesem prangte ein Schild mit einem Namen. Ich hatte nicht damit gerechnet und auf einmal kamen Erinnerungen zu Dingen von vor 10 Jahren hoch. Eine Person. Dinge die ich mit der Person erlebt habe. Gespräche die wir hatten. Gute und schlechte Gefühle. Sie kamen mit so geballter Ladung dass ich noch knapp 30-60 Minuten über etwas nachsann, dass schon lange keine Rolle mehr spielt und keine Bedeutung mehr hat.

Anker müssen nicht immer mit starken emotionalen Erinnerungen verknüpft sein

Vor vier Wochen erzählten mir Freunde, dass sie campen gehen würden. Ich erinnerte mich, dass sie seit dem letzten Camping-Trip, den wir zusammen verbracht hatten, nicht mehr campen waren. Alleine der kurze Impuls „Wir gehen mit dem Zelt campen“ brachte unmittelbar die Erinnerung hoch, dass mir beim Abbau des Zeltes ein Jahr zuvor aufgefallen war, dass eine Strebe gebrochen war. Damals hatte ich meine Freunde darauf hingewiesen, doch es war den beiden in Vergessenheit geraten. So erinnerte ich sie während unseres Gespräches daran. Der Anker zu dieser kleinen Erinnerung war tatsächlich einfach nur das Zelt.

Anker müssen nicht exakt identisch sein

Wie in dem Beispiel mit Amerika – es riecht nicht an jedem Flughafen gleich, wenn ich durch die Türen trete. Die Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind nicht überall identisch.
Vielleicht hast du es schonmal erlebt, dass du ein Geräusch bei einem anderen Auto hörst und es dich daran erinnert, dass du auch langsam mal wieder die Reifen bei deinem Auto wechseln solltest, was du eigentlich schon lange tun wolltest.
Oder ein Geruch der zwar nicht exakt deinem Lieblingsessen entspricht, aber nahe genug dran ist sodas dir das Wasser im Mund zusammenläuft und du dein Lieblingsessen am liebsten sofort wieder kochen willst.

Wie Anker die ein Trauma triggern, zur Projektion und zu verzerrten Wahrnehmungen führen

Hast du jemals eine Situation mit deinem Partnerin oder deinem Partner erlebt, wo du, er oder sie etwas auf eine bestimmte Art, mit einer bestimmten Wortwahl oder einem bestimmten Ton oder einer bestimmten Gestik gesagt hat und es dich bzw. ihn oder sie dermaßen auf die Palme gebracht hat? Wo man das Gefühl hat „Hey, ich bin nicht dein Vater / deine Mutter“ doch die Person hört ab dem Moment des Triggers alles, was gesagt wird als Angriff?

Stimmungen mit Musik oder Filmen lenken

Viele Menschen die ich kenne machen das bereits recht intuitiv. Sie haben teilweise Playlists für bestimmte emotionale Zustände, die sie erreichen wollen, wie die „Gute Laune“ Playlist.
In dem Moment wo wir Musik auf eine entsprechende Playlist setzen weil sie „passt“ verankern wir zugleich das Gefühl der guten Laune mit dem entsprechenden Song.

Werbung – und die Verankerung über Sehnsüchte

Die Werbung mit dem Marlboro-Cowboy ist wohl eines der wie ich finde beeindruckendsten und warnendsten Beispiele für Manipulation. Es werden Sehnsuchtsgefühle angesprochen (Abenteuer und Freiheit, repräsentiert durch den Cowboy in den sich viele durch Kindheitsfantasien und Träume versetzen können). Durch Spiegel-Neuronen fühlen wir die Freiheit des Cowboys und unsere Sehnsucht wird geweckt. Wir wollen sein wir der Cowboy. Und auch wenn wir kein Cowboy sind, können wir uns wenigstens im Kleinen die Zigarette anzünden und für einen Moment eintauchen in das Gefühl. Das ganze findet derart subtil und subbewusst statt, dass wir es meist nicht einmal bemerken.

Verankerung durch Imitation – z.B. beim Schauen von Filmen oder durch unser Umfeld

Wenn wir in Filmen wiederholt sehen wo z.B. die Zigarette angezündet wird wenn der Charakter im Stress ist und es ihn sichtbar entspannt, verankert sich die Zigarette als möglicher „Lösungweg“ zur Entspannung in unserem Kopf.
Dies gilt nicht nur für Zigaretten. Wir müssen nicht jede Situation selber erleben. Durch Empathie und Spiegel-Neuronen spüren und empfinden wir, was die Menschen auf die wir uns konzentrieren spüren und empfinden.
Selbst wenn dieser Mensch nur auf der Leinwand ist und wir „mit dem Hauptcharakter ‚mitfiebern'“.
Und alles was wir bei unserem Umfeld mit Wiederholung beobachten wird auch auf diese Weise verankert, selbst wenn wir es nicht an unserem eigenen Leib erlebt haben bis dahin. Das ist mitunter einer der Gründe, warum es in Gruppendynamiken oft dazu kommt, dass der Großteil entweder raucht oder nicht raucht. (Gruppenzwang ist ein anderes Thema, dass ab einem gewissen Schwellwert zum tragen kommt).

Verankerung von Glaubenssätzen

Ziemlich pervers finde ich, dass sich Glaubenssätze verankern lassen und durch unsere Selektive Wahrnehmung der Anker als auch der Glaubenssatz verstärkt werden, solange wir uns dessen nicht bewusst sind.

Ein Fall könnte z.B. der Glaubenssatz sein, „Alle Menschen sind unzuverlässig.“
Jedes Mal, wenn jemand im Leben dieser Person unzuverlässig ist und dieses Verhalten einen speziellen emotionalen Anker auslöst (z.B. das Gefühl der Enttäuschung), wird der Glaubenssatz verstärkt. Durch die selektive Wahrnehmung werden dann vor allem die Fälle bemerkt, in denen Menschen unzuverlässig sind, während gegenteilige Beispiele ignoriert werden.
Der Anker setzt sich dann zudem zumeist auf potentielle Indikatoren die immer wieder aufgetreten waren im Vorfeld zu einer als „Unzuverlässig“ wahrgenommenen Situation.

Die Kombination von Anker und selektiver Wahrnehmung verstärkt und zementiert den jeweilige Glaubenssatz, solange die Person sich dessen nicht bewusst ist und aktiv dagegen steuert.

Ankerketten

Reiz führt zu Reaktion… Reaktion ist zugleich Reiz und führt zur nächsten Reaktion… führt zu Reaktion…

Im Gegensatz zu der weitläufigen Meinung bin ich der Überzeugung, dass selbst Gedanken, Gefühle und Empfindungen, ihrerseits „Anker“ sein können und eine „Anker-Kette“ bilden können.

Bin ich traurig kann es sein, dass ich mit dem Gefühl des traurig-seins Eis essen als nächsten „logischen“ Schritt verknüpft habe. Anfänglich vielleicht weil Eis mit einem positiven Gefühl verankert ist. Doch im Laufe der Zeit esse ich das Eis nicht mehr bewusst oder weil es mir gute Gefühle gibt. Sondern als Resultat meines Frustes. Frust-Essen sozusagen.

Das Gute ist – ich kann die Kette an jedem Glied sprengen, was die Kette leichter macht.
Gerade wenn man viele negativ belastende Anker hat, kann es Sinn machen auch schon mal nur Teile der Kette „zu sprengen“.

Wie können wir Anker setzen?

Auch wenn wir tagtäglich alles was wir erleben auf die ein oder andere Art und weise unbewusst verankern, können Anker auch bewusst gesetzt werden, indem man einen spezifischen Reiz während eines starken emotionalen Zustands präsentiert.

Am besten ist, wenn der Reiz genau dann präsentiert werden, wenn die Emotion oder der Zustand am stärksten ist. Je stärker die Emotion und je klarer der Reiz, desto effektiver wird der Anker sein.

Manche Leute verwenden z.B. bestimmte Raumdüfte, wenn sie sich in einem sehr ruhigen und konzentrierten Zustand z.B. zum Lernen befinden. Dies wiederholen sie einige Male und können später mit dem gleichen Raumduft diesen Zustand jederzeit herbeiführen.

Alternativ können wir auch mit Berührungen arbeiten.
Die bewusste Entscheidung „Immer, wenn ich mich auf diese Weise berühre, erinnere ich mich an diese Situation“ kann ebenfalls zu einer Verankerung führen. So habe ich beispielsweise einen Anker in dem ich all die besonderen wundervollen Momente wie die Geburt meiner Kinder verankert habe. Wenn ich meine Hand in der Region meines Herzens auf meine Brust drücke und die Augen schließe, bin ich in Sekundenbruchteilen wieder in diesen Erinnerungen und fühle eine tiefe Dankbarkeit und Liebe.

Je diffuser oder zeitlich versetzter ein Reiz zu dem zu verankernden emotionalen Zustand ist, desto mehr Wiederholungen sind nötig.

Wie können wir Anker lösen?

Das Lösen von Ankern kann durch „Entkonditionierung“ erreicht werden.

Das wichtigste ist zunächst einmal die Anker zu erkennen.
Gerade solche, die sich unterbewusst entwickelt haben.
Selbstreflexion, das neutrale betrachten und hinterfragen der Wahrnehmung von Situationen kann dabei ein sinnvolles Hilfsmittel sein.

Wenn wir uns unserer Anker bewusst werden, schwächt dies bereits die Wirkung der Anker deutlich, allerdings verschwinden sie dadurch noch nicht.

Anker abschwächen

Dies bedeutet, den Anker-Reiz mehrmals ohne den damit verbundenen emotionalen Zustand zu präsentieren, um die Assoziation zu schwächen.

Im Prinzip geschieht dies beispielsweise wenn wir uns am Herd das erste mal verbrennen. Dabei entsteht zunächst ein Anker. Mit jedem Mal den wir den Herd nutzen, schwächt sich der Anker im Laufe der Zeit ab und löst irgendwann keine Angst mehr aus. Wir bleiben zwar vorsichtig, da wir uns der potentiellen Gefahr bewusst sind, haben aber keine panische Angst mehr vor dem Herd.

Es gibt auch das schöne Sprichwort „Wenn du vom Pferd gefallen bist, steig sofort wieder auf“. Es zielt darauf ab, sicher zu stellen dass man direkt andere Erfahrung sammelt und die negative Erfahrung sich nicht zu fest „verankern“ kann.

Anker „überschreiben“

Eine weitere Methode ist die Neukonditionierung, bei der ein neuer, positiver Zustand mit dem bestehenden Anker verknüpft wird, um die ursprüngliche Reaktion zu überschreiben. Manchmal wird auch professionelle Hilfe in Anspruch genommen, um tief sitzende Anker zu lösen.

Hast du z.B. eine negative Verknüpfung mit einer bestimmten Farbe, sei es weil diese sehr präsent war, wenn du etwas negatives erlebt hast, kann es Sinn machen Situationen zu suchen, wo diese Farbe präsent ist, aber eine ganz andere Bedeutung hat.

Es kann auch mit NLP-Techniken gearbeitet werden, allerdings sollte derjenige der dies tut genau wissen, was er tut.

Anker loslassen

Anker werden wir glaube ich niemals vollständig los.
Wir können aber durch das praktizieren von Achtsamkeit und Loslassen (gesonderter Artikel zu dem Thema in Kürze) üben, die Anker bzw. die Bedeutung die wir für diese haben „Los zu lassen“, in dem wir jedes mal, wenn wir den Anker bemerken diesen mit der neutralen mentalen Notiz versehen. Wir können uns bewusst machen, dass das einzige was gerade genau genommen geschehen ist, ist das wir einen Reiz wahrgenommen haben und unser Verstand uns die damit verknüpften Erinnerungen / Empfindungen präsentieren wollte, der Anker an sich aber weder gut noch schlecht ist.

Wie können wir uns vor Manipulation schützen?

Wie können wir uns davor schützen, dass Anker gegen unseren Willen gesetzt werden?

Da wir so vielen Reizen im Alltag ausgesetzt sind und an manchen Stellen bewusst versucht wird, uns durch Anker zu beeinflussen, ist die Frage sinnvoll wie wir uns schützen können.

Das erste Mittel zum Schutz ist das Bewusstsein dafür, wie Anker funktionieren und dass und wie Anker gesetzt werden können. Wenn du weißt, wie sie funktionieren, kannst du auch leichter erkennen, wann sie in deinem Leben auftauchen.

  1. Kritische Distanz / Kritisches hinterfragen
    Ein kritischer Abstand zu emotional aufgeladenen Situationen oder Reizen kann helfen. Wenn du eine Situation bewusst wahrnimmst und hinterfragst, minimierst du die Chance, dass ein ungewollter Anker gesetzt wird.
  2. Selbstreflexion und Analyse
    Regelmäßige Selbstreflexion kann helfen, unerwünschte Anker zu identifizieren. Du könntest zum Beispiel ein Tagebuch führen oder meditieren, um deine Gedanken und Gefühle besser zu verstehen.
  3. Achtsamkeitspraxis
    Techniken der Achtsamkeit können dazu beitragen, im gegenwärtigen Moment präsent zu sein und so die automatische Verknüpfung von Reizen und Reaktionen zu unterbrechen. Wenn es dir gelingt Reize von außen neutral als das wahrzunehmen was sie sind (Reize) und ohne sie zu bewerten, schwindet der Einfluss den sie auf dich haben. Das Thema Achtsamkeitsmeditation, das bewusste erleben des Gegenwärtigen Momentes durch bewusste achtsame Wahrnehmung dessen, was auf dich wirkt und das neutrale Benennen (neutrale mentale Notiz – dazu mehr in einem anderen Blog-Artikel) macht einen maßgeblichen Unterschied.
  4. NLP-Techniken und Tools
    Es gibt auch spezielle Techniken und Werkzeuge, etwa aus dem Bereich der Kognitiven Verhaltenstherapie oder des NLP (Neurolinguistisches Programmieren), die darauf abzielen, unerwünschte Anker zu „überschreiben“ oder zu neutralisieren. An dieses Thema sollte allerdings nur jemand dran gehen, der wirklich Ahnung von dem Thema hat.

Ein Schutz vor dem ungewollten Setzen von Ankern ist somit eine Kombination aus Bewusstsein, Selbstreflexion und gegebenenfalls professioneller Unterstützung.

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