August 10, 2023

Selektive Wahrnehmung

Wie unser Gehirn durch selektive Wahrnehmung filtert, was wir wahrnehmen – und uns in die Irre führt

Hast du jemals ein neues Auto gekauft und plötzlich sahst du dieses Auto, als ob es kaum noch andere gäbe? Oder hast du dir mal eine neue Frisur zugelegt oder neue Kleidung gekauft und auf einmal sahst du überall Menschen mit einer ähnlichen Frisur oder ähnlicher Kleidung?

Die selektive Wahrnehmung tritt in vielen Lebensbereichen auf und beeinflusst, wie wir die Welt um uns herum wahrnehmen. Und oft entstehen leider auch unnötige Konflikte und Probleme aufgrund der selektiven Wahrnehmung.

Wie gravierend die selektive Wahrnehmung unser Leben jeden Tag beeinflusst und wie du dich befreien kannst, möchte ich in diesem Artikel beleuchten.

Was ist selektive Wahrnehmung?

Selektive Wahrnehmung bezieht sich auf die unbewusste Tendenz unseres Gehirns, bestimmte Informationen aus unserer Umgebung zu fokussieren und andere zu ignorieren. Da dieser Prozess vollständig unbewusst / unterbewusst abläuft, haben wir in der Regel keine bewusste Kontrolle darüber, was wir wahrnehmen wollen oder können. Es ist ein natürlicher und automatischer Prozess, der uns hilft, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren, ohne von unwichtigen Details überwältigt zu werden. Dies betrifft alle unsere Sinne, einschließlich Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen, und beeinflusst ständig unsere Interaktion mit der Welt um uns herum.

Warum kann selektive Wahrnehmung uns unglücklich machen?

Die selektive Wahrnehmung kann zu Unzufriedenheit oder Unglücklichsein führen und sich zu einem sich selbst verstärkenden Teufelskreis entwickeln. Eine Abwärtsspirale, die sich immer schneller dreht, bis wir merken wie es dazu kam und den Ausstieg finden.

Fokussierung auf das Negative

Manchmal kann unser Gehirn dazu neigen, sich auf negative Erfahrungen oder Gedanken zu konzentrieren und positive zu übersehen. Wenn wir zum Beispiel ständig auf unsere Fehler oder Mängel achten und dabei unsere Stärken und Erfolge übersehen, kann dies zu einem verzerrten Selbstbild und Unglücklichsein führen.

Verstärkung von unrealistischen Erwartungen

Die selektive Wahrnehmung kann auch dazu beitragen, unrealistische Erwartungen oder Vergleiche mit anderen aufzubauen. Wenn wir ständig nur die positiven Aspekte des Lebens anderer Menschen wahrnehmen, zum Beispiel durch soziale Medien, könnten wir anfangen, unser eigenes Leben ungünstig zu vergleichen. Dies kann zu Unzufriedenheit und einem Gefühl von Mangel oder Versagen führen. Sind wir erst einmal in diesem Gefühl, sucht unser Gehirn Bestätigung darin, dass alle anderen tatsächlich besser sind oder mehr haben, als wir und übersieht, dass auch andere Menschen Schattenseiten erleben.

Ignorieren positiver Möglichkeiten

Indem wir nur die Barrieren und Hindernisse sehen und unser Gehirn unterbewusst positive Möglichkeiten oder Wege zur Verbesserung ausfiltert, können wir uns in einer unglücklichen oder unbefriedigenden Situation gefangen fühlen. Die selektive Wahrnehmung, die sich nur auf das konzentriert, was nicht möglich ist, kann Innovation und persönliches Wachstum hemmen. Wir sehen nur noch, was alles nicht geht und unser Gehirn liefert uns die Bestätigung, warum das alles nicht geht (siehe auch „Das geht nicht, weil…“ und die magische Frage).

Beeinträchtigung zwischenmenschlicher Beziehungen

In zwischenmenschlichen Beziehungen kann die selektive Wahrnehmung dazu führen, dass wir nur die Fehler oder negativen Aspekte eines Partners oder Freundes sehen. Oder das Ängste die wir im Bezug auf eine Beziehung haben, die selektive Wahrnehmung dazu veranlassen, jedes noch so kleine Dinge als potentielle „Warnzeichen“ zum Schutz vor dem Schmerz den wir mit unserer Angst fürchten wahrzunehmen. Diese einseitige Sichtweise kann zu Missverständnissen, Konflikten und letztlich zu Unzufriedenheit in der Beziehung führen.

Festhalten an ungesunden Gewohnheiten oder Überzeugungen

Die selektive Wahrnehmung kann auch dazu führen, dass wir an Überzeugungen oder Gewohnheiten festhalten, die uns nicht guttun. Wenn wir Informationen auswählen, die nur unsere aktuellen Ansichten stützen, verhindern wir möglicherweise, dass wir uns weiterentwickeln oder positive Veränderungen in unserem Leben vornehmen.

Warum arbeitet unser Gehirn selektiv in unserer Wahrnehmung?

Die selektive Wahrnehmung ist sowohl ein psychologisches als auch ein neurologisches Phänomen, und die beiden Aspekte sind eng miteinander verknüpft.

Die Neurologische Ebene der selektiven Wahrnehmung

Auf neurologischer Ebene findet die selektive Wahrnehmung im Gehirn statt, wo Milliarden von Neuronen ständig Informationen verarbeiten. Da unser Gehirn nicht alle eingehenden Reize gleichzeitig verarbeiten kann, filtert es die Informationen, um nur das Wichtigste oder Relevanteste zu berücksichtigen. Dieser Filterungsprozess wird durch verschiedene neuronale Mechanismen gesteuert und ist ein wesentliches Element der Funktionsweise unseres Gehirns. Es ist eine Schutzfunktion, damit wir nicht von all den Reizen bis zur Handlungs- & Entscheidungsunfähigkeit überflutet werden.

Psychologische Perspektive der selektiven Wahrnehmung

Psychologisch gesehen spielt die selektive Wahrnehmung eine wichtige Rolle in unserem Verhalten und unserer Interpretation der Welt. Es beeinflusst unterbewusst, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, wie wir Informationen interpretieren und wie wir darauf reagieren. Die selektive Wahrnehmung wird durch verschiedene Faktoren wie unsere Überzeugungen, Einstellungen, Interessen und Erfahrungen geformt und beeinflusst.

Selektive Wahrnehmung – Ein Zusammenspiel von Gehirn und Geist

Selektive Wahrnehmung ist also nicht ausschließlich ein psychologischer oder neurologischer Prozess, sondern vielmehr ein Zusammenspiel beider. Die neurologische Grundlage ermöglicht den Prozess, während die psychologischen Faktoren beeinflussen, wie er sich in unserem Denken und Verhalten manifestiert. Das Verständnis dieser komplexen Wechselwirkung kann uns helfen, ein tieferes Verständnis dafür zu erlangen, wie wir die Welt um uns herum wahrnehmen und auf sie reagieren.

Vereinfacht: Wofür ist selektive Wahrnehmung gut?

Die selektive Wahrnehmung können wir als unseren „Freund“ betrachten. Sie hat viele Vorteile hat, die für unser tägliches Leben und unser Wohlbefinden essentiell sind.

Kognitives Ressourcenmanagement

Unser Gehirn wird ständig mit einer Überflutung von sensorischen Informationen konfrontiert. Die unterbewusste selektive Wahrnehmung agiert als Filter, der irrelevante Informationen aussortiert und nur das Wesentliche für die bewusste Verarbeitung durchlässt. Dies hilft, die kognitiven Ressourcen effizient zu nutzen.

Förderung der Entscheidungsfähigkeit

Die Fähigkeit, schnell und effizient Entscheidungen zu treffen, ist für unser Überleben und unsere tägliche Funktion entscheidend. Die selektive Wahrnehmung hilft uns dabei, Entscheidungen zu treffen, indem sie den Fokus auf relevante Informationen lenkt und Ablenkungen minimiert.

Welche Rolle spielen Glaubenssätze bei der Selektiven Wahrnehmung aus?

Glaubenssätze spielen eine entscheidende Rolle in der selektiven Wahrnehmung. Sie sind die tief verwurzelten Überzeugungen, die wir über uns selbst, andere Menschen und die Welt im Allgemeinen haben. Diese Glaubenssätze beeinflussen, wie wir Informationen wahrnehmen, verarbeiten und interpretieren.

Bei dem Thema Selektive Wahrnehmung und Glaubenssätzen handelt es sich um eine interessante und komplexe Wechselwirkung. Glaubenssätze können nämlich auch erst als Resultat unserer selektiven Wahrnehmung entstehen. So können „extreme“ Erfahrungen (positiv wie negativ) die sich durch die selektive Wahrnehmung selbst verstärkt haben zu Glaubenssätzen führen.

Filterung von Informationen

Glaubenssätze fungieren als Filter, die bestimmen, welche Informationen wir bemerken und welche wir ignorieren. Wenn wir beispielsweise fest an unsere Unfähigkeit in einem bestimmten Bereich glauben, könnten wir dazu neigen, nur die Erfahrungen und Informationen wahrzunehmen, die diesen Glauben stützen, und Erfolge oder positive Rückmeldungen übersehen.

Verstärkung von Vorurteilen

Unsere Glaubenssätze über bestimmte Gruppen von Menschen oder Themen können dazu führen, dass wir Informationen oder Erlebnisse in einer Weise interpretieren, die mit diesen Glaubenssätzen übereinstimmt oder diese sogar bestärken. Dies kann zu Vorurteilen und Stereotypen beitragen, da wir Informationen, die unseren Glaubenssätzen widersprechen, möglicherweise nicht bemerken.
So kann ein Vorurteil, eine bestimmte Gruppe sei z.B. „asozial“ dazu führen, dass man 10 Personen die freundlich oder gar unauffällig sind nicht oder zumindest nicht im gleichen Umfang wahrnimmt wie die eine Person, die sich tatsächlich unmöglich aufführt.

Beeinflussung von Erwartungen

Die Erwartungen, die aus unseren Glaubenssätzen resultieren, beeinflussen, was wir in einer bestimmten Situation wahrnehmen. Wenn wir beispielsweise glauben, dass ein bevorstehendes Ereignis negativ sein wird, konzentrieren wir uns möglicherweise mehr auf negative Aspekte die unsere Vornahme bestätigen. Was wiederum unsere gesamte Erfahrung prägt.

Schaffung einer Selbstverwirklichenden Prophezeiung

Glaubenssätze können eine selbstverwirklichende Prophezeiung schaffen, bei der unsere Erwartungen unser Verhalten und unsere Wahrnehmung in einer Weise beeinflussen, dass sie die erwartete Realität schaffen. Wenn wir zum Beispiel glauben, dass wir in einem Jobinterview versagen werden, könnten wir nervös und unsicher auftreten, was das Ergebnis negativ beeinflusst. Jedes noch so kleine Anzeichen vom Gegenüber das als Bestätigung gedeutet werden kann tritt wie durch ein Vergrößerungsglas X Fach vergrößert in unsere Wahrnehmung und steigert die Unsicherheit, bis dann irgendwann tatsächlich negative Signale vom Gegenüber ausgehen, was den Effekt noch mehr beschleunigt usw. Teufelskreis.

Das Ganze funktioniert aber auch, wenn wir an uns Glauben.
Wenn wir das Selbstbewusstsein haben und wissen, dass wir eine Situation meistern können.
Egal was uns dann an Problemen auf dem Weg begegnet, unsere selektive Wahrnehmung zeigt uns jede noch so kleine Bestätigung, wenn wir wieder ein kleines bisschen Vorwärts gekommen sind. Teilweise bemerken wir die tatsächliche Vielzahl der Probleme denen wir auf dem Weg dann begegnet sind nicht einmal in vollem Umfang.

Beeinträchtigung der Entscheidungsfindung

Da Glaubenssätze unsere Wahrnehmung und Interpretation von Informationen beeinflussen, können sie auch unsere Entscheidungsfindung beeinflussen. Wir könnten durch unsere selektive Wahrnehmung wichtige Alternativen oder Perspektiven übersehen, die nicht mit unseren Glaubenssätzen übereinstimmen, und dadurch suboptimale Entscheidungen treffen.

Kann man selektive Wahrnehmung abschalten / los werden?

Selektive Wahrnehmung ist ein natürlicher unbewusster unterbewusster Prozess. Es ist nicht einfach, ihn „abzuschalten“, aber durch Achtsamkeit und bewusste Anstrengung kann man sich der Tendenz bewusster werden und versuchen, ein ausgewogeneres Bild der Umgebung zu erhalten.

Ergänzend kann man auch bewusst die selektive Wahrnehmung für sich nutzen und lenken, sofern man sich vorher durch Achtsamkeit bewusst war, dass man gerade nicht das ganze Bild sieht.

Wie kann man Selektive Wahrnehmung verändern?

1. Achtsamkeit und Meditation

Achtsamkeit und Meditation sind mächtige Werkzeuge, um unser Bewusstsein für unsere Gedanken und Gefühle zu schärfen. Durch regelmäßige Achtsamkeitsmeditation und Achtsamkeitsübungen können wir lernen, unsere Gedanken und Wahrnehmungen besser zu beobachten, ohne Urteile zu fällen. Dadurch werden wir uns unserer selektiven Wahrnehmungstendenzen bewusster und können sie dann im zweiten Schritt ändern.

2. Selbstreflexion und Selbstbeobachtung

Die Selbstbeobachtung und Reflexion unserer Gedanken und Reaktionen kann uns helfen, Muster zu erkennen und zu verstehen, wie die selektive Wahrnehmung unser Denken beeinflusst. Durch das Erkennen dieser Muster können wir bewusste Entscheidungen treffen, um unsere Wahrnehmung zu verändern.

3. Bildung und Information über selektive Wahrnehmung

Das Verständnis der Mechanismen der selektiven Wahrnehmung durch Bildung und Information kann ebenfalls dazu beitragen, die Kontrolle darüber zu erlangen. Indem wir verstehen, wie und warum sie auftritt, können wir besser darauf reagieren und sie in positive Bahnen lenken.

4. Zen-Geist / Anfängergeist – Konfrontation mit verschiedenen Perspektiven

Das bewusste Suchen und Erkunden verschiedener Perspektiven, insbesondere solcher, die unseren eigenen Überzeugungen widersprechen, kann helfen, die selektive Wahrnehmung zu durchbrechen. Es fördert das kritische Denken und ermöglicht uns, über unsere eigenen Vorurteile hinauszugehen.

5. Etablierung Positiver Glaubenssätze

Unsere Glaubenssätze beeinflussen stark, wie wir die Welt wahrnehmen. Indem wir positive Glaubenssätze etablieren und kultivieren, können wir unsere Wahrnehmung in eine positive und unterstützende Richtung lenken.

Wie wir die selektive Wahrnehmung für uns nutzen können

Durch bewusste Fokussierung auf positive Aspekte kann man zum Beispiel das eigene Wohlbefinden steigern oder bestimmte Ziele erreichen.

So kann Beispielsweise das Führen eines Dankbarkeits-Journals oder eines Erfolgs-Tagebuchs den Blickwinkel verändern, sodass mit der Zeit der Fokus von den eigenen Schwächen und dem „Sich selbst fertig machen“ zu Selbstbewusstsein, Zufriedenheit mit sich selbst und Ausgeglichenheit führt und es mit der selektiven Wahrnehmung jeden Tag ein wenig leichter fällt, diese Dinge automatisch zu sehen und die Fehler mehr und mehr an Bedeutung verlieren zu lassen.

Man kann die unterbewusste selektive Wahrnehmung sogar gezielt für sich arbeiten lassen, indem man die richtigen Fragen stellt. Siehe dazu z.B. auch: „Das geht nicht, weil…“ und die magische Frage

Allerdings auch Fragen wie „Gibt es Gegenbeispiele für meine bisherige Annahme?“ wie sie bei der Arbeit mit Glaubenssätzen oft gestellt werden, können die selektive Wahrnehmung in eine andere Richtung lenken.

Fazit

Die selektive Wahrnehmung ist ein komplexes und faszinierendes Phänomen, das tief in unserer menschlichen Erfahrung verwurzelt ist. Es bietet unerlässliche Vorteile, die uns dabei helfen, die Komplexität der Welt zu bewältigen.

Gleichzeitig birgt es Risiken und potenzielle Fallen, besonders wenn wir nicht bewusst auf seine Auswirkungen achten. Glaubenssätze, die unsere selektive Wahrnehmung beeinflussen, können unser Weltbild verzerren und unsere Fähigkeit, objektiv zu denken und zu fühlen, einschränken.

Die selektive Wahrnehmung ist nicht in Stein gemeißelt; sie kann verändert und kontrolliert werden. Durch Achtsamkeit, Reflexion, Bildung, und bewusste Praxis kann jeder die Macht seiner Wahrnehmung nutzen, um ein bewussteres und erfüllteres Leben zu führen. Es ist ein fortlaufender Prozess, aber einer, der tiefe Einblicke in uns selbst und unsere Welt bietet, und der uns hilft, sowohl persönlich als auch professionell zu wachsen. Sie ist ein Schlüssel zur Kontrolle unseres Wahrnehmungsvermögens, das uns erlaubt, die Welt aus neuen Perspektiven zu sehen.

In einer Welt, in der die selektive Wahrnehmung sowohl unterstützen als auch untergraben kann, ist es entscheidend, ein ausgewogenes und reflektiertes Verständnis davon zu entwickeln, wie es unser Glück beeinflusst. Das weitere Erforschen dieses Themas kann den Weg zu einem zufriedeneren und bewussteren Leben ebnen, indem es uns hilft, die Vorteile zu maximieren und die Nachteile zu minimieren.

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